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Durchgefallen – und jetzt? Prüfungsanfechtung im Studium
- Mai 14, 2019
- Gepostet von: Tim Nordemann
- Kategorie: Specials
Wer kennt das nicht: Nach wochenlangen Dauersitzungen in der Bibliothek, schlaflosen Nächten und turmhohen Stapeln an Karteikarten kommt die Klausurnote zurück – und alles war umsonst. Leider ist harte Arbeit allein nicht immer der Schlüssel zum Erfolg. Wenn du eine Prüfung nicht bestehst, kann das viele Gründe haben – ob Zeitdruck, Kopfschmerzen oder das allseits gefürchtete Blackout. Manchmal gibt es jedoch Umstände, die eine faire Bewertung verhindern. In solchen Fällen hast du die Möglichkeit, rechtlich gegen ein Ergebnis vorzugehen. In welchen Situationen so ein Schritt sinnvoll ist und wer dir dabei helfen kann, erfährst du in unserer Übersicht zu den wichtigsten W-Fragen.
Was kann man anfechten?
Zunächst einmal muss geklärt werden, welche Arten von Prüfungen man anfechten kann. Für Studierende lautet die Antwort generell: Alle! Egal ob Universität oder Fachhochschule, Zwischenklausur oder Abschlussexamen, das Recht auf eine Zweitbegutachtung gilt immer. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob du bereits zum wiederholten Mal durchgefallen bist oder beim ersten Versuch mit einer unerwartet schlechten Note bestanden hast. Bei vielen Studiengängen ist ein guter Schnitt Voraussetzung für die spätere Karriere. Deshalb kannst du auch gegen bestandene Prüfungen mit unterdurchschnittlichem Ergebnis Widerspruch einlegen. Am häufigsten kommen Anfechtungsverfahren bei Examen vor, die vom Staat abgenommen werden. An der Universität betrifft das allen voran die Studiengänge Jura, Medizin und alle Arten von Lehramt.
Welche Gründe ermöglichen eine Anfechtung?
Natürlich braucht es einen triftigen Grund, um erfolgreich gegen eine Note vorzugehen. Dafür musst du nachweisen, dass die Prüfung nicht gemäß den Vorgaben durchgeführt bzw. bewertet wurde. Haben die Prüfer Zeitvorgaben nicht richtig eingehalten? Waren Fragen missverständlich oder sogar fehlerhaft gestellt? Gab es während der Prüfung störende Einflüsse, wie z.B. starker Lärm? Wenn ein Test elektronisch am Bildschirm abgelegt wird, können auch technische Probleme ein Ergebnis ungültig machen. Abgesehen von solchen Verfahrensfehlern läuft ebenso die Korrektur nicht immer einwandfrei. Möglicherweise hat der Prüfer ein paar Punkte übersehen oder inhaltliche Teilaspekte deiner Antworten nicht berücksichtigt? Bei Multiple-Choice-Klausuren ist die sogenannte Malus-Regelung ein wichtiger Faktor. Das bedeutet, dass für falsche Antworten nicht nur null Punkte, sondern sogar Minuspunkte vergeben werden. Diese Methode ist an deutschen Hochschulen nicht erlaubt. Wendet ein Prüfer sie trotzdem an, wird das Prüfungsergebnis somit ungültig. Manchmal spielt auch Befangenheit eine Rolle. So kann es vorkommen, dass Dozierende eine Arbeit strenger bewerten, nachdem der Prüfling im Voraus durch geringes Engagement oder häufige Abwesenheit einen negativen Eindruck hinterlassen hat.
Wer kann dir bei der Prüfungsanfechtung helfen?
Wenn du der Überzeugung bist, dass deine Note nicht durch faire Mittel zustande kam, solltest du dich als Nächstes an einen juristischen Experten wenden. In Deutschland gibt es Kanzleien, die auf Prüfungsrecht spezialisiert sind. Dort kannst du zunächst einen Gesprächstermin vereinbaren. Dieser Termin dient nicht dazu, umgehend Maßnahmen zu ergreifen. Vielmehr geht es darum, das Problem darzustellen und sich über verschiedene Handlungsoptionen zu informieren. Wenn genug Argumente für eine Anfechtung vorliegen, leitet dein Anwalt das Widerspruchsverfahren gegen die Erlassbehörde, also in deinem Fall die Universität, ein. Wird dieser Widerspruch im ersten Versuch abgelehnt, ist die nächste Instanz das Verwaltungsgericht. Hier kann dein Anwalt eine Klage einreichen, sodass das Prüfungsverfahren erneut begutachtet wird. Dabei solltest du unbedingt darauf achten, die jeweiligen Fristen einzuhalten. In der Regel kann man nur innerhalb eines Monats gegen ein Ergebnis Widerspruch einlegen bzw. gegen die Ablehnung des Widerspruchs klagen.
Wieviel kostet dich das Verfahren?
Gerade für Studierende ohne festes Einkommen stellt sich die Frage, ob und wie ein solches Verfahren überhaupt finanziert werden kann. Da Kanzleien auf Honorarbasis arbeiten, lassen sich keine allgemeingültigen Angaben zu den anfallenden Kosten machen. Generell gibt es bei der Vertragsvereinbarung zwei Möglichkeiten: Entweder das Honorar wird durch die Stundenzahl errechnet, oder es wird zu Beginn ein Pauschalbetrag festgesetzt. Mit der zweiten Variante gehst du sicher, dass dir am Ende keine unerwartet hohen Rechnungen ins Haus flattern. Laut Rechtsanwaltsvergütungsgesetz kostet ein persönliches Beratungsgespräch etwa 200€. Wenn du nur eine erste Orientierungshilfe ohne weitere Verpflichtungen suchst, kannst du als Erstes ein kostenfreies Telefonat in Anspruch nehmen. Zuletzt gibt es aber eine gute Nachricht: Ist dein Widerspruchsverfahren erfolgreich, werden dir entstandene Ausgaben erstattet.
Welche Chancen auf Erfolg hast du?
Im Hinblick auf alle Kosten und Mühen, die bei einem Anfechtungsverfahren entstehen, muss natürlich im Voraus geklärt werden, ob sich der ganze Aufwand lohnt. Eine Garantie können auch die besten Anwälte nicht aussprechen. Dennoch zeigen Erfahrungswerte, dass die Erfolgsaussichten in einigen Fällen besser sind als in anderen. Am höchsten stehen die Chancen, wenn dem Korrektor nachweisbare Fehler unterlaufen sind. Hierzu zählen vor allem Fälle, in denen eine richtige Antwort als falsch bewertet oder von der Malus-Regel Gebrauch gemacht wurde. Aber auch wenn Prüflinge nicht die vorgeschriebene Zeit zur Verfügung hatten oder nicht von zwei unabhängigen Prüfern bewertet wurden, entscheiden Gerichte oft zugunsten der Studierenden. Allerdings haben Hochschuldozenten einigen Spielraum bei der Entscheidung, wie leicht oder schwierig einzelne Aufgaben sind und wie sie dementsprechend gewichtet werden. Schlussendlich kommt es bei der Prüfungsanfechtung vor allem darauf an, wieviel für dich auf dem Spiel steht. Wenn du so wie Juliane G. kurz vor dem Abschluss stehst und eine einzige Prüfung droht, dein ganzes Studium zunichte zu machen, kann ein Gerichtsverfahren die letzte Rettung sein. Nicht immer macht es Sinn, sich auf rechtlichem Weg Noten zu erkämpfen. Aber wenn deine Zukunft auf dem Spiel steht, solltest du nicht zu knapp kalkulieren.